Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. (Nietzsche)

Mittwoch, 12. Januar 2011

Loslassen...

Je älter Kinder werden, desto ein größerer Bestandteil des Elternseins besteht im Loslassen. Und das beginnt nicht erst im Teeniealter, wo man sowieso nur noch hoffen kann, dass man in den vorhergehenden Jahren nicht allzu großen Mist bei der Erziehung gebaut hat, denn - wirklichen Einfluss hat man dann nicht mehr und einen Überblick, wo und mit wem der Nachwuchs was gerade treibt, ist auch nicht mehr gegeben - aber bis dahin habe ich ja noch ein paar Jährchen Zeit.
Dennoch ist Loslassen eine nicht zu unterschätzende Anstrengung.
Goethe soll einmal gesagt haben: „Zwei Dinge sollen Kinder von ihren Eltern bekommen: Wurzeln und Flügel.“
Und eines kann ich euch sagen: Die Wurzeln sind der einfachere Teil...


Ich bin von Natur aus nicht zur Glucke geboren. Anwandlungen, die ich im Freundes- und Bekanntenkreis oft beobachten konnten, sind mir fremd. Es gibt tatsächlich Frauen, die, anstatt sich nach der Geburt des Kindes freuen, dass der Nachwuchs gesund und munter auf der Welt ist und der eigene Körper einem tatsächlich wieder allein gehört, nur noch den Satz "Aber ich vermisse meinen Bauch so!!!" über die Lippen bringen... oder auch "Am wohlsten hab ich mich während der Schwangerschaft gefühlt!" Diese Sätze wird man wohl von mir niemals hören. Schwangerschaft ist definitiv nicht mein Idealzustand und sich danach wieder bewegen zu können, liegen zu können, laufen zu können ohne direkt Schnappatmung zu bekommen ist nicht zu unterschätzen - finde ich.
Beinahe hätte ich in die Aufzählung "schlafen können" mit aufgenommen, konnte mich dann aus realistischen Gründen doch zurückhalten, denn mit schlafen ist nach der Schwangerschaft nun auch nicht wirklich zu denken - zumindest nicht bei meinen Kindern, die NIE mit einigen Wochen oder Monaten durchgeschlafen haben...meine Älteste war 3,5  - Jahre, nicht Monate wohlgemerkt, meine Mittlere fast 3, ja und bei meiner Jüngsten, die jetzt 2 1/4 ist, warten wir noch auf diese Zustand. Bedingt durch den Altersabstand meiner Töchter haben wir hier entsprechend seit siebeneinhalb Jahren keine Nacht durchgeschlafen - aber man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles.


Wenn sich im Laufe der Monate das Kind dann vom hilflosen Dauerbetreuungsbündel nach und nach in ein selbständigeres - und sehr eigenwilliges - Wesen entwickelt, verfiel ich auch nicht in die "Oh sie werden sooooo schnell groooooooß, ich will mein Babyyyyy wieder!" Diesen Part übernimmt hier der Y-Chromosomenträger, Gleichberechtigung muss sein.
Ich habe mich über jede Entwicklungsfortschritt gefreut und jedes Stückchen Selbständigkeit des Nachwuchses freudig begrüßt.
Was nicht heißen soll, dass das immer leicht ist.
Wenn das blondhäuptige Mädel meinte, nachdem sie zwei schwankende Schrittchen auf ebener Fläche hinbekommen habe, sie sei jetzt groß genug, um auf dem Spielplatz das 10 Meter hohe Klettergerüst zu erklimmen - ja, dann soll sie! Wenn sie es sich zutraut, warum sollte ich ihr dieses Zutrauen nehmen? Kind marschiert also munter in luftige Höhen, während Mama unten steht und alle Willenskraft, die zu finden ist, aufbietet, um das Kindchen nicht wieder runterzuziehen, sondern die Arme ganz fest an den Körper drückt, um der Versuchung zu widerstehen. Sämtliche verfügbaren Horrorszenarien laufen im Kopf ab (Kind fällt 10 Meter runter auf den Boden oder wird in unerreichbarer Höhe von anderen Kindern attackiert, ohne dass man eingreifen kann...), denn man muss bedenken: Mama hat extreme Höhenangst und schwindelt schon auf einem Stuhl.
Natürlich ist den Kindern nie irgend etwas passiert und Mama war grundlos schweißgebadet, bis das Töchterchen wieder unten war - dennoch finde ich es wichtig, Kinder ihre Erfahrungen machen zu lassen.


Und auch jetzt, wo das Kleinstkindalter hinter uns liegt, kommen immer neue Situationen, wo Mama ihre Willenskraft braucht...
Seit unserem Umzug wohnen wir ja in fußläufig erreichbarer Nähe von Schule und Kindergarten und natürlich ist es langfristiges Ziel, dass unser Nachwuchsteenager irgendwann allein zur Schule geht. Auf halber Strecke trifft sie sich sowieso mit einer Freundin und deren Mutter, bis jetzt wurde sie bis dorthin dann von uns gebracht. Da Madame keinen gesteigerten Wert auf Änderungen ihrer Gewohnheiten legt, war sie bis dato auch zufrieden mit dem Status quo. Jetzt allerdings hat sie beschlossen, dass sie wirklich alt genug sei, um allein bis zu besagter Kreuzung zu gehen - ja, ist sie auch und ja, ich weiß natürlich, dass sie den Weg problemlos findet und in der Lage ist, an Straßen zu schauen, bevor sie diese überquert. Wir wohnen ja auch in einem Wohngebiet und nicht an der Schnellstraße, sodass sich entsprechender Verkehr in Grenzen hält.
Dennoch habe ich mich heute Morgen an die Klettergerüstsituation erinnert gefühlt. 
Selbstverständlich war schon im Vorfeld abgeklärt, dass entsprechende Mutter mir sofort, wenn sie meinen Nachwuchs erblickt, eine sms schickt, um mich aus meiner privaten Wartehölle zu befreien. Dennoch waren diese 10 Minuten heute morgen emotional anstrengend genug für den ganzen Tag.....Nein ich habe nicht alle zwei Minuten angerufen, ob sie denn noch immer nicht da sei und bin auch nicht hintergelaufen, um zu gucken, ob ihr unterwegs nicht doch irgend etwas schreckliches zugestoßen ist - aber meine Willenskraft ist denn auch für den restlichen Tag erschöpft...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen