Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können. (Nietzsche)

Sonntag, 31. Juli 2011

Au Pair-los: Die Fortsetzung

Sooo, wo waren wir, ach ja:

Nachdem wir bereits zwei Au Paris hatten, die nicht nur wir, sondern auch die Kinder und umgekehrt ins Herz geschlossen hatten, dachten wir, es wäre doch nett, ein Au Pair zu haben, das länger als drei Monate bleibt. Der Abschied war immer traurig, auf jedes neue Au Pair muss man sich erst einstellen und umgekehrt....schwierig, da wir ja die ganzen Visaformalitäten nicht wollten...aber wir hatten "Glück" (die Anführungszeichen erklären sich später von allein...) Bei uns bewarb sich ein kanadisches Mädchen, das gern ein Jahr bleiben wollte, die bereits im Besitz eines Visums und einer Krankenversicherung war und da dieses Visum allgemein fürs Arbeiten in Deutschland galt und kein spezielles Au Pair - Visum war, waren wir als Familie auch nicht in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass sie nach einem Jahr brav das Land wieder verlässt. Da ihr Freund, der vorher ein Jahr in Kanada war, in der Nähe wohnt, wollte sie natürlich unbedingt in diese Gegend. Kleinstadt? Kein Problem (ihre Aussage), da sie ihre Freizeit eh bei ihrem Freund in der Großstadt zu verbringen trachtete. Drei Kinder? Kein Problem (ihre Aussage), schließlich habe sie bereits in der Kindertagespflege gearbeitet. Okay, ihre Deutschkenntnisse wären nicht soooo gut (sie hätte auch Reiseprospekte verfassen können, von wegen verkehrsgünstig gelegen = Autobahn direkt vorm Hotel), aber mit den Kids würde sie sich schon verständigen können. Einziges Manko: Sie konnte erst Ende Oktober anfangen, also gut 6 Woche nach dem Termin, an dem Emilia uns verlassen wollte/musste/würde.

Aber auch dafür fand sich eine Lösung: Emilias Cousine Magda, die nach Beendigung ihres Studiums gerade auf Jobsuche war, erklärte sich bereit, einzuspringen. Auch die Erfahrung mit Magda, so kurz sie auch war, war durchweg positiv! Wir hatten ein schöne Zeit, die Kinder mochten sie, wir mochten sie, ich wage zu behaupten, sie uns auch, sie kam gut mit allem klar, alles wunderbar, wie gesagt, nur sehr kurz.

In der Zeit, in der Magda bei uns war, wechselte ich dann auch den Job: weg von eineinhalb Stunden Fahrtzeit pro Strecke, angewiesen sein auf Zugfahrzeiten, Schichtdienst, Wochenend- und Feiertagsarbeit hin zu einem normalen Arbeitsalltag Montag bis Freitag, 35 Stunden pro Woche, direkt um die Ecke, also jederzeit im Notfall verfügbar. Es sollte sich zeigen, dass dies später noch absolut notwendig sein würde...

Erst einmal freuten wir uns auf die Ankunft des neuen Au Paris, geplant auch das letzte, da unsere jüngste Nachwuchsblondine im kommenden Sommer ja in die Kita kommen sollte, sodass wir nicht länger auf Au Pairs angewiesen wären.
Sie kam und das Verhängnis nahm seinen Lauf. Erst einmal lernten wir, dass "nicht so gute Deutschkenntnisse" gleichzusetzen war mit "ich kann hallo sagen" - das wars und zwar komplett und auch bei ihrem Auszug, zu dem wir noch kommen, war nicht viel mehr vorhanden, denn O-Ton: "Ach deutsch lernen ist mir zu anstrengend..." So wollte sie auch keinen Deutschkurs besuchen, was wir ihr anboten und dringend anrieten, aber regelmäßig irgendwo hin zu müssen und möglicherweise dort auch noch etwas zu tun - neee, das war nicht ihr Ding, das merkten wir schnell.
Zuerst einmal klärte sie uns auf, dass sie mit Familienleben nichts am Hut habe, das kenne sie nicht von zu Hause, das interessiere sie auch nicht. Das umfasste nicht nur Familienausflüge, zu denen wir normalerweise unsere Au Paris zwar einluden, was sie aber nicht mitmachen mussten, sondern auch Dinge wie gemeinsame Mahlzeiten.
Für Au Pair - Unerfahrene: Au Pair heißt "auf Gegenseitigkeit". In dem ganzen Projekt geht es darum, dass die Familie profitiert (Kinderbetreuung, Mithilfe im Haushalt, Kennenlernen anderer Kulturen) und ebenso das Au Pair profitiert (Verbesserung der Sprachkenntnisse, Leben in einer Familie und damit verbunden das Kennenlernen der inländischen Kultur, Gepflogenheiten, etc) - da hatte wohl jemand nicht wirklich gut recherchiert.

Mithilfe im Haushalt konnten wir uns auch schnell abschminken, sie hinterließ, wo sie ging und stand Chaos....Dreck in der Küche, ihr Zimmer bzw. Bad war absolut nicht betretbar, wobei hey, das ist mir gleich, es ist ihr Zimmer, da gehe ich auch nicht rein, solang es beim Auszug wieder gescheit aussieht...

So, mit all dem hätten wir leben können, wenn sie sich gescheit um die Mädels gekümmert hätte - wohlgemerkt hätte, man beachte den Konjunktiv! Denn  - sich um die Kinder kümmern langweilte Madame endlos. So holte sie zwar - meist - wie angetragen die beiden Großen von Kiga und Schule ab, verbrachte aber meist den Vormittag samt unserer Jüngsten vorm TV..nicht das, was wir uns für unsere Zweijährige wünschen...

Dazu kam, dass ihr Freizeitplan nicht so aufging, wie von ihr angedacht: Ihr Boyfriend hatte nämlich noch ein eigenes Leben samt Schule, Sport und Freunden, sodass er eben nicht jeden Nachmittag und sämtliche Wochenenden komplett mit ihr verbrachte, was ihr ebenso wenig zusagte. Ihre miese Stimmung lebte sie dann lang und breit hier aus - wir haben sie kaum je lächeln sehen...da sie aufgrund ihrer mangelnden Deutschkenntnis, im Gegensatz zu unseren anderen Au Paris, auch keine Gleichaltrigen hier kennenlernte, boten wir ihr an,  mal mit einer Kollegin von mir zum Handball zu gehen und dort Gleichaltrige zu treffen, die halt auch im Zweifelsfall englisch sprechen. Zweimal war sie da, wovon sie, so wurde mir gesagt, eineinhalb Mal nur auf der Bank saß...soviel dazu.

Ach ja, wir durften dann auch diverse "Nebensächlichkeiten" erfahren, die sie uns vorab verschwiegen hatte - wie gesagt, ganz unbedeutende Nebensächlichkeiten, wie schwere Depressionen, Suizidneigung, Angstattacken- jupp, genau SO jemanden hätte ich mir ausgesucht, wenn sie mit offenen Karten gespielt hätte.

Wenn man all dies so liest, verstehe ich selbst nicht, dass wir dies tatsächlich fünf Monate durchgehalten haben!!! Aber wir glauben ja pauschal an das Gute im Menschen und gegen Ende eines Jahres auf dem platten Land spontan ein neues Au Pair zu finden, ist auch nicht wirklich einfach...

Als sie dann allerdings eines schönen Tages meinte, mich in einer Besprechung anrufen zu müssen, um mir mitzuteilen, dass sie sich heute nicht in der Lage fühle (nein, sie hatten keine Beinbruch oder lag mit 40 Grad Fieber darnieder, sondern es nieselte draußen und sie hatte schlechte Laune, weil die Züge streikten und sie nicht zu ihrem Freund fahren konnte) meine Mittlere aus dem Kiga abzuholen, ich dies erledigte, anschließend meine Mittlere mit zur Arbeit nahm, das Dringendste erledigt und anschließend zwei Stunden früher nach Hause eilte - immerhin wusste ich nicht, ob und wie sie sich um meine Jüngste kümmerte - sie mich kommen sah, in ihr Zimmer verschwand und bis zum nächsten Mittag nicht wieder heraus kam...Da war es dann doch genug und wir baten sie, auszuziehen....übrigens kein Problem für sie, da sie sich, ohne uns zu informieren, bereits einen Job in einem Pub gesucht hatte und uns eh in 10 Tagen zu verlassen trachtete......sie rief einen Bekannten an und zwei Stunden später war sie, samt Unmengen an Gepäck, ausgezogen.
Dies war natürlich die stark verkürzte Version, ich könnte allein über diese fünf Monate ein ganzes Buch schreiben....naja und das benutzte Geschirr, das wir anschließend in der Kommode unter der sauberen Bettwäsche fanden, hat uns dann ebenso wenig gewundert, wie die abgeschnittenen Zehennägel im Kleiderschrank...

Die Blondinenoma konnte Gott sei Dank kurzfristig einspringen und die Zeit überbrücken, die wir brauchten, ein neues Au Pair zu finden. Dies gelang - bestimmt dank einer göttlichen Fügung oder um uns für die vergangenen Monate zu entschädigen - recht schnell und reibungslos und vor ziemlich genau drei Monaten kam Irene, unser zweiter spanischer Engel. Sie reihte sich übergangslos in die Phalanx der positiven Au Pair - Erfahrungen ein, war schnell in die Familie integriert, verwöhnte uns mit spanischen Köstlichkeiten (die Sangria ist unvergesslich) und hatte auch sonst alles im Griff - die drei Monate vergingen wie im Flug und am kommenden Donnerstag wird sie uns verlassen - so können wir unsere Au Pair - Ära doch noch mit positiven Erfahrungen abschließen!

Wir haben viel neues gelernt, erfahren, probiert, werden es aber auch sicher genießen, wieder "unter uns" zu sein.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen